Fortsetzungsroman                  von Carola Balassa-                                                                                   Neumann

Die Zukunft heißt Vergangenheit

„Hoffentlich hält Robby‘ s Akku noch lang genug. Ich komme heute später heim.“ Sagte Mia. Darauf antwortete ihr Mann Elias: „Na deine Mutter wird es überleben, wenn er ihr mal nicht uneingeschränkt zur Verfügung steht. Hast du was im Herd?“ – „Ja, ist um 18:30 Uhr fertig.“ – „Gut, dass die Kinder beim Skifahren sind, da können wir mal was aufarbeiten.“
Mia und Elias waren auf dem Weg zur Arbeit. Elias war in einem Forschungsinstitut tätig, wo es ständig darum ging, wie man die Erde und ihre Ressourcen länger nutzbar machen kann.  Mia entwickelte Dienstleistungsroboter und ihr Ziel war, sie mittelfristig flächendeckend einsetzen zu können.
Bei ihnen zu Hause war alles perfekt geregelt und programmiert. Das wichtigste war Robby, der ihre kranke Mutter betreute. Sie hatte ihn so weit gebracht, dass er sogar mit ihr Karten spielen konnte Außerdem konnte er füttern, Windeln wechseln und eigens dafür programmierte Aufträge ausführen. Wenn unvorhersehbare Dinge geschahen, gab es allerdings die eine oder andere Panne.  So wie neulich, als Oma sich ein Glas Wasser drüber schüttete. Er konnte ihr nicht helfen, denn das morgendliche Anziehen übernahm Mia selbst. Es war ihr Ritual. Ihre Mutter sollte wissen, dass sich auch ein menschliches Wesen um sie kümmerte.
Außer Robby sorgte tagsüber noch ein Computer für Unterhaltung, der mittels Sprachsteuerung Musik, Filme und Hörbücher abspielte. Außerdem konnte die ganze Familie mit „Martha“ auch noch die Beleuchtung, die Heizung und die Rolläden steuern. Nur die Funktion „Türöffner“ hatte gesperrt werden müssen, nachdem Oma vergessen hatte, die Haustüre nach der Entgegennahme eines Päckchens wieder schließen zu lassen.
Oma war nämlich geistig, manchmal etwas mehr und manchmal etwas weniger, verwirrt. Nur wenn man mit ihr spielte, schien sie ganz klar zu sein. Oma war immer zufrieden und immer gut gelaunt – und sie war sehr genügsam. Nur an Süßigkeiten und Knabbersachen durfte es niemals fehlen. Sie liebte es, wenn man für sie ihre Lieblingsgerichte aus ihrem selbst zusammen gestellten Kochbuch kochte. Diese Aufgabe übernahm ihr Sohn Klaus, wenn er sie besuchen kam. Er nahm sie dann mit in die Küche und sie hatten meist viel Spaß miteinander. 
Es war Anfang Januar und die Kinder hatten Ferien. Mit ihren elf, dreizehn und fast fünfzehn Jahren hatten sie bereits alles im Griff, beziehungsweise in ihren Laptops. Dort war ihr Tagesablauf gespeichert und es wurde ihnen stets der nächste Programmpunkt angezeigt. Eigentlich hatten Mia und Elias nur zwei Kinder geplant gehabt, aber da Mia unbedingt eine Tochter haben wollte, folgte nach Ferdinand und Jonathan noch Alexandra. 
Wie immer um diese Zeit war viel Verkehr. Im Radio lief gerade eine Diskussion darüber, ob man die Schulgebäude abschaffen und die Kindern fortan „online“ unterrichten sollte. An der Diskussion konnte man sich beteiligen. Mia und Elias waren selbstverständlich dafür. Denn sie standen immer für den Fortschritt ein.
      *
Klaus und Sophia dagegen waren eher konservativ geprägt. Klaus dachte oft sehnsuchtsvoll an seine Kindheit zurück, wo doch Alles viel persönlicher war. Sein Sohn Benedikt schloss sich dieser Meinung an und ließ sich immer wieder davon erzählen, wie das Leben in der Kindheit seines Vaters war. Er war ein sensibler Junge und mit seinen zwölf Jahren ungewöhnlich anhänglich.  Sophia bemühte sich im Interesse ihrer Männer, möglichst viel Menschliches in ihrem Leben zu erhalten. 
Klaus war entsetzt darüber, dass seine Schwester Mia ihre Mutter von einem Roboter betreuen ließ, wäre aber selbst nicht dazu in der Lage die Pflege zu übernehmen. Er war als Sterne-Koch sehr gefragt und viel unterwegs. Deshalb hatten die beiden auch nur den einen Sohn. Sophia war Ärztin im städtischen Krankenhaus und dieser Beruf beanspruchte sie sehr. Es gab quasi täglich neue Erkrankungen und sie musste sich ständig weiterbilden. Benedikt war dadurch viel allein. Doch er hatte sich damit arrangiert. Er ging zwei Mal pro Woche zum Instrumentalunterricht, wo er Kirchenorgel, Klavier und Akkordeon spielen lernte. Er war sehr musikalisch und verbrachte einen Großteil seiner Freizeit mit üben. Den anderen Teil verbrachte er in der Kirche. Er war Ministrant aus Leidenschaft und ließ keine Beerdigung und keine Taufe aus. Außerdem spielte er Schach in einem Verein. Sportlichen Aktivitäten konnte er dagegen nichts abgewinnen. Er war ein mittelmäßiger Schüler. 
Folglich war bei Klaus und Sophia nur das Notwendigste automatisiert. Bei ihnen wurde noch selbst gekocht und sie verbrachten ihre Freizeit mit dem Spielen von Gesellschaftsspielen. Außerdem wurde gesungen, wenn Benedikt musizierte.  Sie mähten den Rasen noch selbst und Sophia hängte die Wäsche zum Trocknen an die Leine. Fenster, Rolläden, Türen und Tore wurden von Hand bedient. Klaus baute im Garten sogar noch Gemüse an. Dabei unterstützte ihn sein Sohn. Und er begleitete ihn, wenn er seine Mutter besuchte. Sie machten Spiele mit ihr und nahmen sie mit in die Kirche. Auch das gemeinsame Kochen nach Omas Kochbuch war ein fester Bestandteil ihrer Besuche.
                                                                               *
Da die Natur bereits weitgehend zerstört war, wurde die Nutzung der noch erhaltenen Gebiete kontrolliert. Man musste eine Nutzungsgebühr bezahlen und das Gebiet wurde mittels Kameras überwacht. Bei Fehlverhalten drohten hohe Strafen. Dazu gehörte das Töten von Tieren, egal welcher Art, und das Abreißen von Pflanzen jeglicher Art. Ebenso Verunreinigungen und das Hinterlassen von Müll. Diese Gebiete lagen meist am Stadtrand.  Die meisten Leute waren  zu bequem, dorthin zu fahren. Deshalb hatten viele Häuser anstatt Gärten einen Freilandsimulator. Das waren ein bis zwei Räume, die entsprechend programmiert und designed wurden. Man konnte darin beispielsweise einen Waldspaziergang mit Vogelgezwitscher und dem Geruch nach Holz erleben. Eine Gummimatte als Laufband simulierte den Waldboden. Die zweite Variante hieß Strandspaziergang. Hier lief man durch einen Sandkasten, während einem eine salzige Brise um die Nase wehte. Dabei hörte man neben dem Rauschen des Meeres hin und wieder den Schrei einer Möwe.  So gab es immer mehr Menschen, die ihre Häuser gar nicht mehr verließen. 
Einkaufen ging per Internet vonstatten. Für diesen Zweck waren überall in der Stadt Warenläger errichtet worden. Man gab seine Bestellung online auf. Diese wurde an die Roboter weitergeleitet, die die Ware kommissionierten und sie auf fahrerlose GPS-Fahrzeuge luden, die die Waren auslieferten. Da inzwischen sämtliche Lebensmittel maschinell hergestellt und haltbar gemacht wurden, war fast alles in Pulverform in Papierverpackungen. Es gab kein großes Sortiment. Man konnte zwischen süß, herzhaft, fleischlos, fischhaltig oder scharf wählen. Zubereitet wurden diese Mischungen unter Zugabe von Wasser im Backofen. Für Kinder und Kranke gab es speziell abgestimmte Sorten. Beim Verzehr der angegebenen Menge brauchte man sich über Nährstoffe und Kalorien keine Gedanken zu machen. „Normale“ Lebensmittel bekam man nur noch im Bioladen. Essen selbst zuzubereiten hatte den Status „Hobby“. Frisch gekochtes Essen war also ein Luxus. Es wurde in exklusiven Restaurants und gehobenen Hotels angeboten. Folglich waren qualifizierte Köche in diesen Kreisen gefragt. Klaus hatte bereits eine ansehnliche Karriere hinter sich und sehr gefragt. Er war als freier Koch tätig. Das heißt, er bekam projektbezogene Aufträge. Deshalb war er oft unterwegs. Je nach dem wo sein Einsatzort sich gerade befand. Auch die Bezahlung war sehr unterschiedlich. 
Sprechstunden beim Arzt wurden teilweise per Skype durchgeführt. Nur wenn es zwingend notwendig war, musste man in die Praxis.  Fitness erledigte man ebenfalls zuhause. Fitnessgeräte und eine Sauna gehörten inzwischen standardmäßig in jedes Haus. 
Kinos gab es nicht mehr. Man konnte sich alle Filme auf die hauseigene Leinwand holen. Zum Genuss von Theaterstücken oder Musicals, konnte man sich durch Bezahlen des Eintrittspreises live in die Veranstaltungshalle zuschalten. Mit Freunden traf man sich nur selten, man konnte sich ja Jeden jederzeit auf den Bildschirm holen.
                                                                 *
Ferdinand und Jonathan waren sehr sportlich. Sie spielten beide Fußball, gingen regelmäßig laufen und fuhren mit dem Fahrrad wenn es möglich war. Im Winter fuhren sie leidenschaftlich Ski. Letzteres teilte Alexandra mit ihnen. Außerdem war sie im Schwimmverein und hatte zwei Mal pro Woche Training. Elias begleitete seine Söhne gelegentlich beim Laufen. Mia ging hin und wieder mit Alexandra zum Schwimmen. Ansonsten hatten sie wenig Interessen. Die Kinder kümmerten sich in angemessener Weise selbständig um ihre schulischen Belange und Mia und Elias arbeiteten viel. Teilweise auch zuhause, wo sie ein großes Arbeitszimmer hatten. 
      *
Elias‘ Eltern waren sehr innovativ. Auch ihr Zuhause war auf dem neuesten Stand der Technik. Da sie sich bester Gesundheit erfreuten und beide nicht mehr berufstätig waren, genossen sie ihr Leben in vollen Zügen. Sie reisten viel und ließen sich keine Herausforderung entgehen. Vom Wellness-Urlaub bis zur Wildwasserfloßfahrt war alles dabei. An ihren Enkelkindern zeigten sie wenig Interesse. In dieser Hinsicht hatten sie sich bereits bei den Kindern von Elias‘ Schwester „ausgetobt“. Man traf sich also nur zu den üblichen Familienfesten.
Sophias Eltern waren nach Neuseeland ausgewandert. Sie hatten Sophia ihren Pflichtteil überschrieben. Sophias Bruder war schon vor Jahren tödlich verunglückt, noch bevor er selbst eine Familie gegründet hatte. Sophia besaß mehrere Grundstücke, die größtenteils brach lagen. 
      *
Die Schulgebäude wurden nicht abgeschafft. Man müsse ein gewisses Maß an sozialen Kontakten aufrecht erhalten, hieß es. Außerdem hatte man andere Themen, die behandelt werden mussten: Die Entsorgung des Mülls. Dieser wurden nämlich immer mehr, weil sämtliche Dinge so produziert wurden, dass sie eine kurze Lebensdauer hatten. Wie sollte man die Energie für den stetig steigenden Bedarf aufbringen? 
Auch über die psychisch Kranken, deren Zahl stark zunehmend war, musste man sich Gedanken machen. War dieser Prozess zu stoppen? Was waren die Ursachen und wie sollte man damit umgehen? Diese Menschen mussten doch wohl irgendwie behandelt werden.
Diese Themen wurden auch von Mia, Elias, Klaus und Sophia diskutiert. Die beiden Familien waren anlässlich des Geburtstages von Oma zusammengekommen. Wie immer waren sie nicht derselben Meinung bei den einzelnen Themen.
Benedikt spielte mit Oma Schach. Ferdinand und Jonathan hatten sich zurückgezogen, weil sie noch lernen mussten und Alexandra bereitete das Essen zu.  
      *
Auf der Heimfahrt war Sophia sehr nachdenklich. Sie fragte sich wie man den Menschen helfen könne, die mit ihrem Leben immer weniger klarkamen. Klaus regte sich über seine Neffen auf, die sich immer zurückzogen, wenn sie zu Besuch waren. Benedikt checkte seine Termine durch. Dann fragte er seinen Vater, was er denn früher bei so einem Familientreffen gemacht hat. Klaus war verblüfft, denn ihm fiel daraufhin ein, dass er sich auch am liebsten zurückgezogen hatte. „Stellt sich nun noch die Frage, was Oma in dieser Situation getan hat, als sie ein Kind war.“ Meinte er.
Darauf hatte Sophia sofort eine Antwort: „ Ganz einfach, damals sind die Kinder nach draußen gegangen und haben dort mit anderen Kindern gespielt, die sie zufällig trafen.“
Sophia wurde immer klarer, dass die Menschen das Leben krank machte, das sie führten. Ihnen fehlte Raum und Zeit für Fantasie, Reflektion und Philosophie. Oder einfach zum Entspannen. Es war alles eingefahren und festgelegt, wie eine Maschinerie. Es galt nur, Dinge zu tun, die einen messbaren Erfolg brachten. Die Menschen verhielten sich bereits wie Maschinen, die einer programmiert hatte. 
Es müsste einen Ort geben, an den die Leute sich zurückziehen konnten, um wieder zu sich selbst zu finden. Wie ein Kloster. Nein eher wie ein Sanatorium. Und schon sprudelten in ihr die Ideen und sie beschloss ein entsprechendes Konzept auszuarbeiten.
Die Zielgruppe waren erst Mal diejenigen, denen es überhaupt nicht mehr gelang „runterzukommen“. 
      *
„Du bist ja verrückt“, sagte Klaus spontan dazu, als sie ihm Zuhause davon erzählte. 
„Und wenn sie wieder raus kommen, ist alles wie vorher und sie sind so weichgespült, dass sie mit ihrem Leben gar nicht mehr klar kommen“.
Sophia meinte dazu: „Da könntest du Recht haben. Die Idee ist eben noch nicht ausgereift“.
„Genau, also willkommen in der Realität,“ sagte Klaus abschließend. 
      *
Doch die Sache ließ ihnen beiden keine Ruhe. Sie sprachen aber nicht darüber. Jeder machte sich seine eigenen Gedanken. Sophia entschied sich für ein privates Hotel. Es sollte keine als therapeutisch deklarierte Einrichtung sein, für dessen Aufenthalt man einen Krankenschein brauchte. Es sollte eher eine Oase sein, wo sich jeder frei entfalten konnte.

Das Konzept:
Ein-, Zwei- und Mehrbettzimmer mit einfacher Ausstattung. Vor allem ohne Zugang zu den Medien. Es gab eine Auswahl an Filmen, die mit DVD einem DVD-Player abgespielt werden konnten. Der dazugehörige Fernseher diente nur als Bildschirm. Zur weiteren Ausstattung gehörte eine Rätselzeitschrift, Schreibsachen und ein Solitärspiel. Außerdem Papier und Buntstifte. Jedes Zimmer bot die Möglichkeit dort die Mahlzeiten einzunehmen, falls jemand nicht im Speisesaal essen wollte.
Im Erdgeschoss gab es ein Fernsehzimmer, einen Speisesaal und zwei Aufenthaltsräume. Der erste trug den Titel „Nichts“. Er war schlicht aber warm gestaltet. Hier gab es Sitzecken und Tische. Außerdem ein Aquarium. Dieser Raum bot den Leuten die Möglichkeit, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Er war ausgestattet mit Holzbausteinen in größeren Mengen, Malsachen und mit den Spielen „Memory“ und „Domino“.
In dem zweiten Aufenthaltsraum, der „kreativ“ hieß, befanden sich Handarbeitssachen, Legosteine und Musikinstrumente inklusive Noten. Hier gab es groß Tische, auf denen man bauen, puzzeln oder spielen konnte. Zur Ausstattung gehörten auch Dominosteine, Gesellschaftsspiele wie Monopoly, Mensch-ärgere-Dich-nicht und Spiel des Wissens, sowie Romme-Karten.
In diesen beiden Räumen sollte sich jeder frei entfalten können. Für die, die sich ein „Programm“ wünschten, gab es einen Raum, der „wir“ hieß. Hier wurden gemeinsame Aktivitäten angeboten. 
Zum Beispiel: Gesprächsrunden mit vorgegebenen Themen, Spiele wie „Stadt, Land, Fluss“, Singen, Basteln und Vorlesen.
Im Keller befand sich eine Turnhalle mit Matten, Reifen, Bändern und Bällen, sowie eine Musikanlage. Auch ein Schwimmbad war vorhanden.  Es wurden Gymnastikkurse angeboten.
In der Kapelle, die sich ebenfalls im Keller befand, fand jeden Sonntag ein Gottesdienst statt.
Außerdem gab es noch einen Außenbereich mit Bänken zum Verweilen. Ein Barfuß-Erlebnis-Pfad sorgte für Abwechslung zum Spazierengehen und Enten füttern. 
Zusätzlich gab es noch ein „Zeit für mich“-Angebot. Hierfür war auch ein extra Raum vorgesehen.  Zur Auswahl standen Massagen von einem Physiotherapeuten, Instrumentalunterricht durch eine Musiklehrerin oder Einzelgespräche mit einer Psychologin.
Wer wollte, konnte sich in der Küche oder im Garten betätigen.
Die Verpflegung bestand aus „richtigem“ Essen. Es gab kein Wahlmenü.
Besuche waren nicht erlaubt und Kinder hatten erst ab zwölf Jahren zutritt.
Die Aufenthaltsdauer sollte mindestens drei, höchstens sechs Wochen sein.
Ärztliche Versorgung war nicht vorgesehen.
Der Preis ergab sich aus den Selbstkosten.
Zur Ausstattung des Hauses gehörte noch ein größeres Fahrzeug.
Sophias Philosophie für den Aufenthalt sah folgendermaßen aus:
Die Menschen sollten im „Nichts“ zu sich finden, im „kreativ“ in die Zukunft sehen und sich im „Zeit für mich“ für den Alltag stärken. Beim „wir“ konnten Kontakte geknüpft und Lebenserfahrungen ausgetauscht werden. 
Am Samstag Nachmittag stand das „wir“ für ehemalige Teilnehmer kostenlos zur Verfügung.
Sophia musste sich eingestehen, dass es schon ein wenig weltfremd klang, als sie sich ihr Konzept durchlas. Trotzdem erstellte sie gleich noch einen Gebäudeplan. Für wie viele Gäste sollte das Hotel sein? Sie überlegte sich unter wie vielen Menschen man sich noch wohl fühlen konnte. Sie entschied sich für 25 Betten. 
An Personal würde sie fünf Personen benötigen:
Je eine männliche und eine weibliche Servicekraft, einen Koch, eine Psychologin und einen Physiotherapeuten. Sie selbst würde die Verwaltung übernehmen. 
Nach drei Monaten hatte sie ihr Konzept inklusive Bauplan und Kalkulation fertig. Sie hatte ihre Erlebnisse und ihre Eindrücke aus ihrem Berufsalltag mit einfließen lassen.
      *
An einem verregneten Sonntag präsentierte sie Klaus und Benedikt ihre Idee. Klaus schüttelte den Kopf und meinte: „Hab‘ ich‘ s doch geahnt, dass du was ausheckst!“ Benedikt wusste nicht so recht, was er davon halten sollte und setzte sich ans Klavier.
Dann redeten Klaus und Sophia über ihren Plan und Klaus stellte fest, dass er vermutlich für die Stelle des Kochs vorgesehen war. Sie bestätigte es ihm und fügte hinzu: „Es wäre jedenfalls schön.“
„Da muss ich erst ein paarmal drüber schlafen“ sagte er, doch er wusste, dass sein Bauch bereits zugestimmt hatte. Finanzielle Mittel waren vorhanden, also sprach eigentlich nichts dagegen.
      *
Bei seinem nächsten Besuch erzählte er seiner Schwester davon. Sie fand die Idee unsinnig. So würde man den Leuten ja geradezu einreden, dass ihr Leben falsch liefe. Und sie regte sich darüber auf, wie man nur dermaßen weltfremd sein konnte. Jonathan hatte dem Ganzen jedoch mit Interesse gelauscht, äußerte sich jedoch nicht dazu.
Oma war beleidigt, weil heute niemand mit ihr spielte. Benedikt war heute nicht mit dabei.
Dann erzählte Mia ihm noch, dass Elias gerade daran arbeitete, ob es eine Möglichkeit geben könnte, Müll zur Energiegewinnung zu nutzen, ohne dabei die Umwelt weiter zu schädigen.
Ferdinand war nämlich derzeit zum Schüleraustausch in Amerika und da war Müll ein noch größeres Thema als bei uns.                                

      *
Dier ersten Kunden warb Sophia selbst. Sie sprach Patienten an, bei denen sie das Gefühl hatte, dass sie eine Auszeit gebrauchen könnten und sich auch leisten konnten und wollten. Sophia gab für ihr Projekt ihre Stelle im Krankenhaus auf. Klaus hatte gerade einen Auftrag beendet. Das notwendige Personal war ebenfalls gefunden.
Am 1. Juli 2049 reisten die ersten Gäste an. Es waren drei einzelne Frauen, zwei befreundete Frauen und ein einzelner Mann.  Sophia teilte ihnen die Zimmer zu und wies sie in das Konzept ein. Als Begrüßungsessen gab es Rinderrouladen. Alle Gäste entschieden sich dafür im Speisesaal zu essen . Die befreundeten Frauen saßen mit einer einzelnen Frau am Tisch, der Mann mit den anderen beiden einzelnen Frauen.  Als Sophia beim Essen so in die Runde blickte, fiel ihr eines auf. Alle sechs waren gleichermaßen nervös. 
Das lag vermutlich daran, dass sie nichts in der Hand hatten. Sie hatten ihre Handys, Tablets und Laptops zuhause lassen müssen. Nun wussten sie nicht wo sie hinsehen sollten, beziehungsweise hatten das Gefühle etwas verloren oder vergessen zu haben. Es wurde übrigens kein Wort gesprochen. Die Atmosphäre war angespannt. Nach dem Essen liefen sie alle wie befreit davon. 
Die beiden Freundinnen, Julia und Marie, gingen in den Außenbereich. Sie waren seit ihrer Schulzeit befreundet und waren beide Ende vierzig. Sie betrieben einen Friseursalon, waren nicht verheiratet. Julia wohnte allein mit ihren zwei Katzen in einer großen Dachgeschosswohnung mitten in der Stadt. Marie lebte im Haus ihrer Eltern in einer Einliegerwohnung, am Stadtrand. Da sie täglich zusammenarbeiteten teilten sie ihre Freizeit eher selten miteinander. Julia war sehr zurückgezogen. Sie hatte einen Teil ihrer Wohnung als Atelier eingerichtet. Sie malte viel. Marie hatte einen kleinen Freundeskreis. Sie ging gerne wandern und ins Theater. Sie verbrachte viel Zeit mit ihren Eltern. Nun gingen sie durch den kleinen Park und blieben schließlich vor dem Entenweiher stehen. Sie sprachen immer noch nicht. 
Die anderen vier gingen ins „Nichts“, wo der Mann, nachdem er die Holzbausteine erblickt hatte, damit anfing eine große Mauer zu bauen. Er hieß Jörg, war Mitte fünfzig und lebte allein in einer Drei-Zimmer-Wohnung am Stadtrand. Er war dem Leben immer ein Stück hinterher. Er hatte schon in der Schule keinen Anschluss gefunden, weil er, als die anderen ins Kino gingen, lieber mit Lego spielte und als die anderen mit dem Rucksack durch Italien trampten, lieber bei einer Jugendfreizeit eine Schnitzeljagd mitmachte. Heute hatte er den Eindruck, dass es umgekehrt war. Es war als hätte er etwas übersprungen. Ihm war ein Wellnesstag lieber als eine Sauftour. Er ging gerne kegeln und spielte gerne Schach und war Mitglied in entsprechenden Vereinen. Mit Frauen war er nie wirklich zusammengekommen. Er arbeitete als Architekt in einem renommierten Architekturbüro.  
Die Frauen sahen sich gemeinsam um, sie kommunizierten jedoch nicht miteinander. Die jüngste von ihnen, Leonie, blieb vor dem Aquarium stehen. Sie beobachtete die Fische, während die anderen beiden weitergingen. 
Die anderen beiden, sie waren Anfang sechzig, setzten sich an einen Tisch. Sie sahen sich um, beobachteten die anderen zwei und schließlich sahen sie sich an.  Die eine sagte: „Ich bin die Melanie“ und die andere antwortete: „Ich heiße Marion.“ Melanie holte Zeichenpapier und Buntstifte und die beiden fingen an zu malen. Sie waren nun gar nicht mehr nervös. 
Draußen im Park meinte Julia: „Ob das eine gute Idee war, hierher zu kommen? Mir ist jetzt schon langweilig. Was sollen wir hier vier Wochen lang machen?“ Marie antwortete: „Lass uns mal nachfragen, was so angeboten wird.“ Sie gingen hinein und kamen zu Sophia, die gerade die Infotafel gestaltete.  Da hing bereits ein Speiseplan, die Öffnungszeiten für die Schwimmhalle und ein Hinweis, dass jeden Sonntag um 10:30 Uhr in der Kapelle ein Gottesdienst stattfinden sollte. Der größte Anschlag war der Plan für das „Wir“.
 
Julia und Marie beschlossen, ins Schwimmbad zu gehen. 
Melanie und Marion malten ihre Bilder. Und am Ende stellte sich heraus, dass sie sich beide für das gleiche Motiv entschieden hatten – einen Bauernhof. Melanie stellte damit den Ort ihrer Kindheit dar. Dabei war ihr der Backofen, in besonderer Erinnerung geblieben. Deshalb war er auf ihrem Bild im Vordergrund. Marions Bauernhof war so gemalt, wie Bauernhöfe üblicherweise dargestellt werden. Bauernhaus, Traktor, ein paar Hühner, ein Misthaufen, usw. Sie sahen sich an und schüttelten die Köpfe. Marion stand auf und erklärte: „Darauf brauche ich jetzt einen Kaffee!“ Sie nahmen ihre Bilder und gingen an die Rezeption. Dort war Sophia gerade mit der Gestaltung der Infotafel fertig geworden. Marion fragte nach einem Kaffee. „Entweder im Speisesaal, oder im „Wir““, wo gleich eine Vorstellungsrunde stattfindet. Es war bereits fünf vor zwei und in diesem Moment erschienen auch schon die Psychologin und der Physiotherapeut. Die beiden Frauen entschieden sich für das „Wir“. 
Leonie ging in ihr Zimmer und übte sich am Solitär. Sie fühlte sich ziemlich verloren und allein. Jörg hatte das Bauen solchen Spaß gemacht, dass er gut gelaunt in Richtung Schwimmbad steuerte. Dort traf er auf Julia und Marie. Sie zogen zu dritt ihre Bahnen.
Im „Wir“ stellte sich die Psychologin vor. Sie hieß Franziska und würde für Einzelgespräche im „Zeit für mich“ zu Verfügung stehen und die Gesprächsrunden im „Wir“ leiten. Auch Bastel- und Handarbeitsangebote würde sie betreuen.  
Andreas, der Physiotherapeut schloss sich an und sagte, dass er für Massagen und Sportangebote zuständig sei. Es sollte regelmäßig Gymnastik in der Turnhalle beziehungsweise im Schwimmbad angeboten werden. Er würde auch die Gesprächsrunden über Ernährung und andere Gesundheitsthemen übernehmen.
      *
Am Sonntag kam der Pfarrer und hielt einen Gottesdienst. Sophia und Klaus waren mit ihrem Sohn gekommen. Benedikt ministrierte. Weitere Teilnehmer waren Melanie, Marion und Leonie. Leonie war zwar getauft, hatte sich aber nie mit dem Thema Glaube und Kirche beschäftigt. Das wollte sie hier erstmalig tun. Folglich war sie bezüglich des Ablaufs unsicher. Sophia schlug ihr vor, dass der Pfarrer ihr „Unterricht“ geben könnte. Sie nahm das Angebot an. 
      *
Am nächsten Tag kamen neue Gäste. Es war ein Pärchen, Anfang dreißig. Sophia kannte sie aus der Klinik. Sie waren mehrfach bei ihre gewesen. Sie wünschten sich ein Kind, doch ihr Wunsch blieb unerfüllt. Organisch war bei den Beiden alles in Ordnung. Sie hatte ihnen einen Aufenthalt im Hotel „Auszeit“ vorgeschlagen. 
Nachdem sie ihr Zimmer bezogen hatten, gingen sie ins „Nichts“ und Sabrina fing sofort damit an, Babykleidung zu zeichnen. Das tat sie immer. Sie sammelte die Blätter in einer Mappe und jedes Mal wenn sie ihre Periode bekam, zerriss sie eine Seite. Ihr Mann Lukas interessierte sich für das Aquarium. Dort traf er auf Leonie, die nach wie vor gern davor saß. Heute hatte sie Lesestoff über die Sakramente dabei. Lukas zeigte sich überrascht und Leonie fragte ihn wie gut er sich damit auskenne. Er erwiderte, dass Kirche für ihn kein Thema sei. Er sei vom Leben enttäuscht. Sie fragte ihn warum, doch er wollte mit ihr nicht darüber reden. Als er mit Sabrina beim Abendessen saß, musste er an diese Begegnung denken und er erzählte ihr davon. Sie dachte genau wie er, aber es berührte sie, dass sich eine junge Frau mit dem Thema Glauben beschäftigte. 
      *
Der Hotelbetrieb lief gut an. Die Gäste machten mit und wenn Sophia beim Mittagessen in die Runde blickte, stellte sie fest, dass die Nervosität der Gäste nachließ. Es war eine Freude zu sehen, mit welcher Begeisterung erwachsene Menschen aus Knetgummi Figuren formten, Enten fütterten und Memory spielten. 
Es waren zwei Wochen vergangen. Bis jetzt war noch niemand im „kreativ“ gewesen. Es beschäftigte sich also noch niemand damit, dass der Aufenthalte hier einmal zu Ende ging.
Heute waren keine neuen Gäste angereist. Andreas hatte spontan beim Frühstück zum Völkerball spielen in die Turnhalle eingeladen. Es waren alle gekommen und sie hatten großen Spaß gehabt. Diese Menschenließen sich voll auf das Konzept ein. Sie lebten hier in einer anderen Welt. Es entwickelte sich eine Art Grupppendynamik, denn ab dieser Woche, machten die Gäste quasi alles gemeinsam. Mit Ausnahme des Gottesdienstes. Daran nahmen Jörg, Julia und Marie nicht teil. 
Sophia ging auf in ihrer neuen Rolle als Hotel-Mama. Klaus musste manchmal resolut werden, um sie dazu zu bewegen mit nach Hause zu gehen. Benedikt kam nun nachmittags in Hotel, wenn er nicht allein sein wollte. Anfangs hielt er sich von den Gästen fern. Das änderte sich jedoch an dem Tag, an dem er sich im „kreativ“ ans Klavier setzte. Plötzlich waren sie alle da und hörten andächtig zu. Und als er geendet hatte, wollte jeder mal. Von „Alle meine Entchen“ bis „Für Elise“ war alles dabei.
Danach schauten sie sich in diesem Raum, der sie bis jetzt eher abgeschreckt hatte, um. Es bildeten sich zwei Gruppen:
Leonie, Lukas, Sabrina, Melanie und Marion nahmen sich ein Puzzle vor und Jörg, Julia und Marie bauten Lego. Benedikt zog sich diskret zurück. Er erzählte seiner Mutter was er eben erlebt hatte.
Sophia machte sich Notizen. Sie hielt schriftlich fest, was sie mitbekam und was ihr interessant erschien.
Leonie saß also fortan nicht mehr am Aquarium, sondern sie puzzelte stundenlang. Dabei kamen ihr wohl so einige Gedanken, denn zwischendurch schrieb sie sich immer wieder etwas auf. Sie suchte viel Ruhe. Als Marketingfachkraft war sie viel unterwegs. Sie musste ständig Präsentationen halten und den Kunden Rede und Antwort stehen. Auch zuhause konnte sie nie abschalten, weil ihr Arbeitsvertrag vorschrieb, in welchem Zeitraum sie wie viele Konzepte ausarbeiten musste.
Deshalb gefiel es ihr auch in der Kirche. Dort konnte sie abschalten und sich unterordnen und musste nicht selber dauernd für ein „Programm“ sorgen.
      *
Eines Nachmittags „erwischte“ Sophia die Gäste dabei, wie sie im „kreativ“ alle zusammen „Stadt-Land-Fluss“ spielten. Sie hatten sehr viel Spaß dabei. 
Jörg hatte damit begonnen, in die Küche zu gehen, um mitzuhelfen und dabei zu lernen, wie man „richtig“ kochte.
Inzwischen waren drei Wochen vergangen und die Gäste mussten langsam an die Rückkehr in die Realität denken. Deshalb schlug Sophia beim Frühstück vor,  in der letzten Woche „Zeit für mich“ in Anspruch zu nehmen. Und prompt wollte jeder einen Massagetermin und ein Gespräch mit der Psychologin. Außer Jörg, der verzichtete auf Letzteres. Er war inzwischen täglich in der Küche und er stellte fest, dass es ihm Spaß machte, zu kochen.
      *
Sophia war enttäuscht, weil sich keine neuen Gäste angekündigt hatten. Deshalb überprüfte sie ihre Internetseite und stellte fest, dass sie sehr wenig Aufrufe hatte. Sie beauftragte also zusätzlich noch eine Druckerei, einen Hotelflyer zu drucken. Sie hatte ihn selbst gestaltet. Ansonsten machte sie keine Werbung. Sie hoffte auf „Mund-zu-Mund-Propaganda“. Das Hotel „Auszeit“ sollte ja schließlich ein „Geheimtipp“ bleiben.
      *
Als Klaus und Benedikt wieder einmal die Oma besuchten, erkundigte sich Mia zynisch, wie „das Projekt“ so liefe. „Gut.“ Sagte Klaus.
Dann erzählte sie ihnen von ihrem aktuellen Projekt. Ein Roboter, der selbständig putzen konnte. Bei den Praxistests gab es zwar noch regelrechte „Wasserschlachten“, aber im Großen und Ganzen funktionierte er schon.
Elias arbeitete gemeinsam mit Ferdinand, der aus Amerika zurück war, an der Zukunftsgestaltung von Mutter Erde.
Klaus ließ ihr einige Flyer da und meinte, dass es nett wäre, Sophias Projekt zu unterstützen.
Und tatsächlich klagte einige Tage später eine Kollegin von Mia, dass sie sich total gestresst fühle und mal eine Auszeit brauche. Beim Wort „Auszeit“, holte Mia ihr Sophias Webseite auf den Bildschirm. Laura war sofort begeistert von der Vorstellung für vier Wochen „auszusteigen“. Sie fragte Mia ob sie schon dort gewesen sei. „Nein, aber das Hotel gehört meiner Schwester. Es ist neu und das einzige dieser Art.“ Erklärte Mia.
      *
Dann kam der Samstag, an dem Jörg, Melanie, Marion, Leonie, Julia und Marie abreisen mussten. Sie waren nicht sehr begeistert davon. Sophia lud sie dazu ein, den heutigen Tag noch im „wir“ zu verbringen, das immer samstags für „Ehemalige“ geöffnet sei. Sie blieben alle bis Sophia sie um 18 Uhr „rauswarf“.
An diesem Sonntag waren Sophia, Klaus und Benedikt die einzigen Teilnehmer beim Gottesdienst in der Kapelle.
Danach stellte Sophia fest, dass jemand kurzfristig gebucht hatte. Eine alleinstehende Frau Ende vierzig. Sie würde am nächsten Tag kommen. Sophia freute sich zwar darüber, aber mit drei Leuten konnte man halt trotzdem nicht viel anfangen. Da klingelte das Telefon.
Es war die Frau, die gebucht hatte. Sie fragte, ob sie noch eine Freundin mitberingen dürfe. Sie wollten aber getrennte Zimmer. Ob das wohl noch ginge. Nun hoch erfreut bestätigte Sophia das. 
      *
Es war Montag Morgen. Lukas wachte auf und hörte das Fieberthermometer piepsen. Als nächstes Geräusch erwartete er das Zerreißen von Papier. Und genau wie gestern geschah es nicht. Ihm wurde ganz heiß und er fragte Sabrina, ob er ihre Temperaturkurve mal sehen dürfe. Sie gab sie ihm und sagte: „Es sind 17 Tage“ Er küsste sie und meinte: „Na, dann wollen wir mal sehen, was uns der Tag heute so bringt.“ 
Der Tag brachte ihnen Laura und Carmen. Wie die anderen auch, landeten sie nach dem Mittagessen – diesmal gab es gefüllte Paprikaschoten mit Reis -  im „Nichts“ und malten ein Bild. Bei ihnen war‘ s ein Haus, ein Baum, Himmel, Sonne, Wiese, ein paar Blümchen – wie einst im Kindergarten. Nach einer Weile sagte Laura: „Ich fühle mich jetzt schon wie befreit.“ Dann gingen sie nach draußen und probierten den Barfuß-Pfad aus. Dort trafen sie auf Lukas und Sabrina.
Carmen, die Journalistin war, nahm sich jetzt schon vor, einen Artikel über diese Anlage zu schreiben.
Als sie mit dem Barfuß-Pfad fertig waren, gingen sie in den Speisesaal, um eine heiße Schokolade zu trinken.
Als Lukas am nächsten Tag aufwachte, war Sabrina gerade im Bad. Er schaute auf ihr Nachtkästchen. Dort lagen das Fieberthermometer und die Temperaturkurve. Er nahm sie und schaute auf den heutigen Eintrag. Tag 18 war geschafft. Er freute sich und seine Hoffnung auf ein Kind und eine glückliche Frau stieg. Sabrina kam aus dem Bad und als sie sah, dass er wach war, schlüpfte sie zu ihm unter die Decke. Sie schmiegte sich an ihn. Er streichelte ihr zärtlich über den Kopf: „Ich glaube, wir haben es geschafft.“- „Ja, ich habe jedenfalls keine Blutung.“ Sie schmusten noch eine Weile, bevor sie zum Frühstück gingen.
Auch am darauffolgenden Tag blieb die Temperatur oben und nun hielt Sabrina es nicht mehr aus. Sie erzählte Sophie davon. Sophia frage: „Wollen Sie Gewissheit haben?“ Sabrina sagte: „Ja“ Sophia verschwand und kam kurz darauf mit einer länglichen Packung zurück. Sabrina bedankte sich und ging auf ihr Zimmer. Lukas putzte sich gerade die Zähne. Als er fertig war, ging sie ins Bad. Dort packte sie den Schwangerschaftstest aus und führte ihn durch. Er war tatsächlich positiv. Sie stürme aus dem Bad und rief voller Freude: „Ich bin schwanger!“ Sie hielt Lukas den Test vor‘ s Gesicht. Er freute sich genau sie sie.
Nach dem Mittagessen ging Sabrina zu Sophia, umarmte sie und bedankte sich bei ihr. Sie antwortete: „Ich hab‘ doch gar nichts gemacht.“ – „Doch, Sie haben diesen wunderbaren Ort geschaffen und Sie haben uns hierher geholt.“
Carmen hatte diese Szene zufällig mit angesehen und es wurde ihr warm um‘ s Herz. Sofort juckten ihr wieder die Finger, etwas darüber zu schreiben, obwohl sie ja gar nicht wusste, um was es eigentlich ging. Aber sie hielt sich zurück. Sie sollte hier doch eigentlich abschalten. 
Sie war auf dem Weg ins „wir“ wo Franziska heute Seidenmalerei anbot. Lukas und Sabrina waren auch da. Nur Laura hat keine Lust dazu. Sie war nach draußen gegangen, um zu joggen.
Franziska hatte mit Lukas und Sabrina einige Gespräche geführt und als sie die beiden nun so glücklich sah, bedurfte es keiner Worte mehr. 
So fuhren Lukas und Sabrina am nächsten Tag froh und erwartungsvoll in die Zukunft blickend nach Hause.
      *
Am darauffolgenden Montag kamen keine neuen Gäste. Doch bei Sichtung ihrer Webseite stellte Sophia fest, dass die „Ehemaligen“ positive Wertungen über das Hotel abgegeben hatten. Sie freute sich darüber
Carmen entschloss sich dazu, Sophie wegen eines Artikels über das Hotel anzusprechen. Sie meinte dazu: „Ja gern, ich kann gut etwas Werbung gebrauchen. Aber sie sind doch im Urlaub.“ – „Das macht mir nichts aus“, antwortete Carmen. „Wollen wir uns gleich zusammensetzen?“ fragte Sophia. Carmen war überrascht von dieser Spontanität und stimmte zu.
Sophia erzählte ihr von ihrer Idee und von der Umsetzung. Dann berichtete sie von den bisherigen Gästen – natürlich anonym – und wie es so liefe bisher.
Carmen spürte mit wieviel Herzblut Sophia dieses Projekt lebte und sie beschloss, sie auf jeden Fall zu unterstützen.
Der Artikel, den sie – ausnahmsweise – in Sophias Büro geschrieben und an die Zeitung, für die sie arbeitete, weitergeleitet hatte, erschien bereits am darauf folgenden Samstag.

Mehr als Urlaub
Von einem Urlaub der besonderen Art berichtete mir kürzlich eine junge Frau, die mir im Zug gegenübersaß. Sie sagte, sie sei ein Nervenbündel gewesen, konnte nicht mehr schlafen, war kaum mehr leistungsfähig und hatte fast keine sozialen Kontakte mehr. Deshalb schlug ihr ihre damalige Ärztin vor, über einen Aufenthalt im Hotel „Auszeit“ nachzudenken. Die junge Frau informierte sich im Internet und verbrachte dann vier Wochen dort. Sie erzählte mir, dass sie dort sofort zur Ruhe gekommen sei. Sie habe sich sogar auf völlig neue Themen eingelassen, die nun ihr Leben bereicherten. Es sei ihr gelungen etwas „mitzunehmen“ aus dieser Idylle. Dort stünde die Zeit quasi still. Details wollte sie nicht preisgeben. Sie meinte man würde dann den Zauber kaputt reden. Und bevor ich ausstieg, gab sie mir den Rat dort auch mal „abzutauchen“.
Ich tat es und ich wunderte mich nicht mal darüber, dass es mich auch erfüllte, ich lebte es einfach, dieses einzigartige „sein“ und als ich wieder zurückkam, wusste ich mehr. 
Und obwohl Sophia den Artikel kannte, bekam sie eine Gänsehaut als sie ihn in der Zeitung las.
Das ging offenbar mehreren Leuten so. Die Zeitung wurde jedenfalls mit Leserbriefen überschüttet. Natürlich auch mit solchen, in denen Leute ihr Missfallen kundtaten.
Von da an, lief das Hotel. Es war quasi immer ausgebucht. Klaus und Sophia waren glücklich und kostenmäßig hatten sie es tatsächlich so hinbekommen, dass es sich selbst trug und dass Sophia und ihre Familie davon leben konnten. Es gab allerdings ein Kritikpunkt: Kinder waren bei diesem Konzept nicht berücksichtigt worden. 
      *
Inzwischen hatte Mia den Prototypen des Putzroboters bei sich zuhause. Er hieß „Bodo“. Eines Tages war „Bodo“ mit einem gefüllten Putzeimer auf dem Weg ins Wohnzimmer und „Robby“ war mit einer Schüssel voller Nussschalen in der Gegenrichtung unterwegs. Beide hatte ein enormes Tempo drauf und so kam es, dass sie sich streiften. Sie verschütteten also das Wasser und die Nussschalen und stürzten zu Boden. Dann ging Bodos Alarm an. Der wurde automatisch auf Mias Handy weitergeleitet. Oma lachte sich natürlich halb tot bei diesem Schauspiel.
Mias Begeisterung hielt sich in Grenzen als sie die Sauerei beseitigen musste und sie schimpfte mit Oma, weil sie „Robby“ im Wohnzimmer Nüsse knacken ließ.
Nun galt es zu verhindern, dass „Robby“ und „Bodo“ sich in die Quere kamen. Mia hatte geglaubt, dass dies mit dem Abstandsmesser überhaupt kein Problem wäre. Die Weiterleitung des Roboteralarms aufs Handy war eine Neuheit im Roboterbereich. Robbys Alarm funktionierte nur lokal.
      *

*
So verging die Zeit. Die Menschen arbeiteten weiter an der Automatisierung ihres Alltags. Das erforderter immer mehr Energie und nachdem Atomkraft und Kohle nicht mehr zur Energiegewinnung genutzt werden durften, probierte man alles Mögliche aus. Klima und Umwelt wurden mehr und mehr geschädigt und die Natur wehrte sich mit ihren Mitteln. Erdbeben, Wirbelstürme, Sturmfluten und Waldbrände nahmen ständig zu. 
In Gebieten, wo die Bevölkerungsdichte sehr hoch war, hatte es bereits mehrere Stromausfälle gegeben, die viele Stunden andauerten. Dann wurde den Menschen ihre Abhängigkeit zwar bewusst, aber niemand kam auf die Idee etwas zu ändern. Für die Kinder war das normal, dass es so war. Sie wussten einfach nicht, dass man sich auch ohne Strom die Zähne putzen oder etwas lesen konnte. Es war inzwischen fast alles digitalisiert.
Jonathan, der inzwischen 14 war, machte sich jedoch Gedanken darüber und er recherchierte, wie das Leben früher war, in der Kindheit seiner Eltern und Großeltern. Was er dabei herausfand faszinierte ihn sehr und er betrachtete immer wieder der Flyer von Sophias Hotel. Darin stand geschrieben, dass man dort in eine andere Welt tauchen konnte. Das wollte er unbedingt mal ausprobieren. Und so nahm er eines Tages seinen ganzen Mut zusammen und erklärte seinen Eltern, dass er die Sommerferien dort verbringen wolle. Die Reaktion seiner Mutter war wie erwartet: „Spinnst du? Das ist doch was für völlig weltfremde Schwächlinge, die ihr Leben nicht auf die Reihe kriegen.“
- „Ich möchte aber trotzdem hin.“ Sagte er beharrlich. Elias schüttelte verständnislos den Kopf. Dann gingen sie beide aus dem Zimmer.
Am nächsten Morgen staunte Sophia nicht schlecht, als sie die Buchungsanfrage erhielt. Es war ihr letztes freies Bett für diesen Zeitraum. Interessanterweise hatten sich noch vier weitere Jugendliche angemeldet. Zwei davon kamen mit ihren Eltern. 
Jonathan freute sich riesig, als er die Buchungsbestätigung per E-Mail von Sophia erhielt.
      *
Sophia war glücklich darüber, dass das Hotel so gut lief, und dass sie die Menschen mit ihrem Konzept erreichte. Sie hatte die Preise inzwischen etwas angehoben, so dass sie einen Gewinn erzielte, mit dem sie Rücklagen für Reparaturen, Instandhaltung und Neuanschaffungen bildete. 
Sie würde also während der Sommerferien fünf Jugendliche da haben – und natürlich Benedikt, der sich inzwischen ständig im Hotel aufhielt. Er half in der Küche, nahm an den Veranstaltungen im „wir“ teil und musizierte im „kreativ“. Deshalb beschloss sie, während dieser sechs Wochen spezielle Angebote für Jugendliche auf den Wochenplan zu setzen:
Gesprächsrunde: Wie stelle ich mir die Zukunft vor?
Workshop: Wo kommen die Lebensmittel her?
„Vision“: Wenn ich Politiker wäre, dann würde ich…“
Und sie besorgte einen Nachhilfelehrer, der im „Zeit für mich“ individuelle Nachhilfestunden anbieten sollte.
Außerdem sollte es einmal pro Woche einen Discoabend geben. Dieser würde in der Turnhalle stattfinden, denn dort gab es eine Musikanlage.
Bei ihren Überlegungen wurde ihr wieder einmal klar, dass sie Kinder überhaupt nicht berücksichtigte.
Sophia hatte während des letzten Jahres viele neue Erkenntnisse über die Menschen und ihre Bedürfnisse gewonnen. Besonders auffällig war dabei, dass sich besonders die Älteren in die Vergangenheit zurücksehnten, wo man der Natur viel näher gewesen war. Und während sie die neuesten Bauernhofbilder im „wir“ an die Wand pinnte (Das war das meist gewählte Motiv, das die Erwachsenen malten.), kam ihr eine Idee. Sie nahm sich vor bei dem neuen Projekt die Erfahrungen, die sie mit den Jugendlichen machen würde mit zu verwerten. Deshalb musste sie mit der Ausarbeitung des neuen Konzepts noch etwas warten.
      *
Die Ferien kamen und Sophia hatte ein volles Haus – und sie freute sich auf die fünf jugendlichen Gäste. Vorallem freute sie sich darauf, ihren Neffen Jonathan näher kennen zu lernen. 
Als sie da waren, stellte sie sehr bald fest, dass alle fünf die reinsten Nervenbündel waren und dass sie im „Nichts“ absolut hilflos dastanden. Sie beobachteten die Erwachsenen, konnten jedoch mit Holzbausteinen und Malen nichts anfangen.  Und Sophia bemerkte beim Abendessen, dass sie noch nervöser und nun auch noch frustriert wirkten. Sie ging ans Telefon und rief Andreas an. Er kam sofort und eine halbe Stunde später fanden sich die Jugendlichen in der Turnhalle ein, wo Andreas sie dazu animierte Bälle an die Wand zu schießen. Besonders die Jungs fanden das toll. Außer Jonathan waren noch Maximilian und Paul da. Sie waren 15 Jahre alt. Die beiden Mädchen, die mit ihren Eltern da  waren, hießen Helena und Xenia. Sie waren 14 und man sah ihnen nicht an dass sie Zwillinge waren.
       *
Sophia konnte nun beruhigt nach Hause fahren. Benedikt feierte heute seinen 13. Geburtstag und Klaus hatte für sie ein 3-Gänge Menü zubereitet. 

Feldsalat mit gebratenen Champignons, Makkaroni-Auflauf und Apfelstrudel mit Vanillesoße. 
Benedikt freute sich riesig als sie kam. Nach dem Essen spielte er ihnen sein neuestes Klavierstück vor und wie sich herausstellte, hatte er es selbst komponiert. Seine Eltern staunten nicht schlecht und waren sehr stolz auf ihn.
Dann fragte Benedikt: „Und wie läuft‘ s mit den Jugendlichen? – „Anders“, sagte Sophia. „Sie können mit dem Konzept nichts anfangen. Es ist nichts Ursprüngliches in ihnen, auf das sie zurückgreifen könne. Sie sind in dieses Leben hineingeboren worden. Sie kommen ohne Anleitung nicht zurecht. Aber sie sind Energie geladen.
       *
Nach dem Schießen teilte Andreas die fünf in zwei Gruppen. Er selbst ging ebenfalls mit dazu, damit es aufging. Er teilte die Halle mittels Pilonen in zwei Hälften. Dann stellte er Musik an. „The final Countdown“ Während das Lied lief, mussten die beiden Teams die Bälle jeweils auf die Seite de anderen Teams rollen. Werfen oder schießen war nicht erlaubt. Sieger der Runde wurde das Team, bei dem die wenigsten Bälle waren. Es folgte eine zweite Rund zu „Ba Ba Banküberfall“ und endete mit einer dritten Runde zu „We are the champions“. Dann ging er mit ihnen in den Speisesaal, gab ihnen eine Saftschorle und schickte sie anschließend zum Duschen. Danach fielen sie erschöpft in ihre Betten. 
Als er am nächsten Tag zur Wassergymnastik kam, berichtete er Sophia von seiner Aktion. Abschließend sagte er: „Die Kids waren total begeistert“. Und so beschlossen die Beiden, das Ganze am heutigen Abend zu wiederholen. 
Am Vormittag führte Sophia die Gesprächsrunde: Sie stelle ich mir meine Zukunft vor? Jonathan sagte: „Innovativ“, Helena meinte: „Ich weiß nicht…“, Xenia sagte: „Gar nicht, ich lass‘ das auf mich zukommen.“, Maximilian meinte: „Ich will einen guten Beruf haben.“ Und schließlich Paul: „Wir müssen die Erde retten.“ Es war alles dabei und es wurde ein interessanter Vormittag.
Als Sophia beim Mittagessen verkündete, dass am Abend wieder Ballspiel in der Turnhalle angeboten wurde, sah sie in erfreute Gesichter. Am Nachmittag kam Benedikt. Er war neugierig. Er suchte nach Jonathan und fand ihn beim Enten füttern. „Hallo“, sagte er, „wollen wir was zusammen machen?“ – „Ja“, antwortete er, „was denn?“ „Was würdest du denn gerne machen?“, fragte Benedikt. Jonathan antwortete: „Ich möchte in die Kirche gehen.“ Benedikt sagte überrascht: „Okay“ und sie gingen in die Kapelle. Dort setzte sich Jonathan in eine Bank und meinte: „Ich weiß gar nicht so genau wie das geht. Wir gehen fast nie in die Kirche.“ Da bemerkten sie, dass noch jemand da war.  Helena war ihnen gefolgt. Sie sagte: „Ich auch nicht.“ Benedikt überlegte kurz und sagte: „Vielleicht können wir ja einen Gottesdienst bekommen. Dann könnt ihr üben.“ „Kennst du dich denn da aus?“ fragte Helena. „Wer bist du überhaupt?“ – „Ich bin Benedikt, der Sohn von den Hotelbesitzern. Ich bin oft hier. Und, ja ich kenne mich da aus. Ich bin Ministrant.“ Sie gingen rauf ins „Nichts“ und Benedikt erklärte ihnen wie so ein Gottesdienst abläuft. Sie machten sich Notizen. Prompt gesellten sich noch zwei weitere Gäste zu ihnen. 
Vor dem Abendessen erzählte Benedikt seiner Mutter davon und schlug vor, dass der Pfarrer doch am nächsten Tag eine Abendmesse halten könnte. Sophia rief ihn sofort an und er sagte zu. 
Nach dem Essen fragte Andreas Benedikt ob er auch zum Ballspiel käme. Doch der lehnte dankend ab. Dann fuhren er und Klaus nach Hause um dort wie üblich auf Sophia zu warten. 
Die kurzfristig angebotene Abendmesse war gut besucht. Benedikt ministrierte. Am Ende der Woche waren die Jugendlichen dann deutlich entspannter. Benedikt betreute sie, wenn er Lust dazu hatte. Viel war nicht mit ihnen anzufangen. Memory und Domino fanden sie langweilig. Sie vermissten ihre Computerspiele.
Am Sonntag kamen Helena und Jonathan wieder zum Gottesdienst. Danach spielte Benedikt im „kreativ“ Klavier. Wie immer hatte er jede Menge Zuhörer und als er endete versuchten sich die anderen. Jonathan fing an seinen Cousin zu bewundern: „Toll, was du alles kannst. Kannst du mir das Klavierspielen beibringen?“ - „Ich kann dir schon zeigen wie‘ s geht, aber besser ist ein richtiger Lehrer. Wir haben einen an der Hand.“ Erklärte er.
Der Lehrer kam am darauffolgenden Dienstag und so nahm Jonathan Klavierunterricht. Er hatte drei Unterrichtseinheiten pro Woche. Er war total begeistert davon.
Benedikt und Jonathan waren inzwischen unzertrennlich. Nur beim Ballspiel machte Benedikt nicht mit. Er hasste es, sich zu bewegen und zu schwitzen. Dafür spielten Helena, Xenia, Maximilian und Paul bei jeder sich bietenden Gelegenheit im Schwimmbad Wasserball und hatten jede Menge Spaß dabei.
Die Eltern von den Zwillingen waren sehr zurückhaltend. Sie hielten sich fast ständig auf ihrem Zimmer auf. Die Mutter hieß Lena und war Schriftstellerin. Bei ihr klappte das mit dem Abschalten nicht so recht. Der Vater hieß Tim und war Arzt. Er wollte seine Ruhe haben und las viel. Sie waren in erster Linie wegen ihren Töchtern hier.
      *
Heute war Samstag und Klaus und Benedikt besuchten die Oma. Sophia blieb zuhause und machte sich einen ruhigen Nachmittag. Sie hatte Benedikt darum gebeten, nicht zu viel von Jonathan zu erzählen, um seine Privatsphäre zu wahren. Und prompt versuchte Mia ihn auszufragen. Benedikt sagte direkt: „Es gefällt ihm gut bei uns, aber er soll selbst entscheiden, was er erzählen will.“ Mia war nicht gerade begeistert von dieser Antwort. Sie schob die Backmischung in den Ofen, während Benedikt ins Wohnzimmer ging. Sie spielten mit der Oma, aßen ein Stück Kuchen und fuhren bald wieder nach Hause. Elias hatte sich überhaupt nicht sehen lassen. Er hatte sich damit entschuldigt, dass er noch arbeiten müsse. Alexandra war mit ihrer Freundin im Freibad und Ferdinand schaute den ganzen Nachmittag in seinen Laptop. 
Zuhause spielten Klaus und Benedikt mit Sophia auf der Terrasse noch ein Spiel.
       *
An diesem Samstag Abend fand im Hotel der erste Disco-Abend statt. Andreas fungierte als DJ. Diesmal waren es die Mädchen, die besonders begeistert waren. Vorallem Xenia tanzte ausgelassen. 
Dann brach die zweite Ferienwoche an. Maximilian und Paul langweilten sich die meiste Zeit. Auch der Workshop: „Wo kommt unser Essen her?“ interessierte sie nicht wirklich. Sie nahmen aber trotzdem daran teil. Man musste sich ja schließlich irgendwie beschäftigen. Es wurde dann doch ganz interessant. 
Die anderen suchten sich inzwischen ihre Beschäftigungen. Jonathan und Benedikt spielten miteinander Schach. Helena war ins „Nichts“ gegangen, um zu malen. Allerdings wusste sie nicht so recht, was sie malen sollte. Schließlich malte sie mehrere große Häuser, die nebeneinander standen. Davor einen Gehweg, auf dem ein Mädchen stand. Es wirkte ziemlich verloren vor den hohen Häusern. Dann schaute sie, was die beiden Frauen malten, die sich zu ihr an den Tisch gesetzt hatten. Die eine hieß Anna und war bereits über siebzig. Sie erklärte Helena ihr Bild, das eine Blumenwiese zeigte, in der ein Mädchen saß und einen Blumenkranz flocht: „Das bin ich im Alter von 13 Jahren.“ Die andere Frau hieß Claudia. Sie war 65 und sie zeichnete Kinder unterschiedlichen Alters. Es waren sechs Stück. „Das sind die Kinder, die ich nie hatte. Es sollte nicht sein“, sagte sie traurig. „Ich weiß nicht, was ich mit meinem Leben anfangen soll, wenn ich mal in Rente gehe.“ Helena wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Sie wusste nur, dass ihr das Bild mit der Blumenwiese nicht nur besser gefiel, sondern dass es sie faszinierte. Und so fragte sie die Frau, die Anna hieß: „Durfte man die Blumen einfach so pflücken?“ Anna war beeindruckt von dieser Frage und antwortete: „Ja sicher, früher gab es Blumen in Hülle und Fülle. Das haben die Menschen im Laufe der letzten Jahrzehnte alles kaputt gemacht.“ – „Könnte man das nicht wieder in Ordnung bringen?“, fragte Helena. „Vielleicht“, sagte Anna. „Man müsste eben wieder neue säen.“ Jetzt hätte Helena eine Antwort auf die Zukunftsfrage gehabt. Sie ging in dieselbe Richtung, wie das was Paul gesagt hatte: Wir müssen die Erde retten. 
Am nächsten Tag nach dem Frühstück fragte Helena Sophia wo denn der Garten sei und ob sie da mitmachen könne. Sie brachte sie zu Marianne, ihrer Mitarbeiterin, die den Garten betreute. Marianne zeigte Helena den Garten und sie hatte sogar ein halbes Beet frei. Sie versprach Helena, dass sie Samen besorgen würde, und dass sie dann Blumen säen dürfe. Helena freute sich darauf. Sie kam glücklich strahlend in ihr Zimmer und das fiel ihrer Mutter sofort auf. „Was ist denn mit dir los?“, fragte sie ihre Tochter. - „Ich bin glücklich“, sagte Helena einfach.
Am Tag darauf, säte Helena ihre Blumen. Nachdem sie sie gegossen hatte, frage sie Marianne wie lange das nun dauern würde bis sie wachsen und wann sie sie wieder gießen müsse. Marianne beantwortete alle ihre Fragen. Doch Helena war ungeduldig wie ein kleines Kind. 
Als sie zu ihrer Familie zurückkam, fand sie eine frustrierte Xenia vor. Ihr war langweilig und sie wollte nach Hause. Aber sie hatten für vier Wochen gebucht und anderthalb waren erst um. Im „wir“ wurde heute „Mensch-ärgere-Dich-nicht“ spielen angeboten. Die beiden Mädchen beschlossen dorthin zu gehen. Ihre Eltern blieben wie gewöhnlich auf dem Zimmer. 
Im „wir“ trafen sie auf Anna und Claudia. Helena erzählte Anna, dass sie Blumen gesät hatte. Anna freute sich als sie sah, wie glücklich sie darüber war. 
Maximilian und Paul liefen im Park herum. Schließlich kamen sie zum Barfuß-Pfad. Dort war ein junger Mann, der Robert hieß. Er war 25 und wirkte ebenfalls gelangweilt. Er sah die Beiden an und meinte: „Seid ihr auch so gelangweilt wie ich?“ Sie nickten. Dann zogen sie ihre Schuhe aus und gingen den Barfuß-Pfad.
Die Langeweile der Jugendlichen gab Sophia zu denken. Sie brauchten ständig ein Programm. Das erforderte ein ganz anderes Konzept. 
Als erste Maßnahme bot sie einen Lego-Bau-Kurs für die Jugendlichen an. Insgeheim hoffte sie, dass Benedikt das übernehmen würde. Ihre Hoffnung erfüllte sich. Benedikt war hellauf begeistert davon. Sophia schlug ihm vor, es erst mal mit Basisteilen zu versuchen. Tatsächlich waren alle dazu bereit mitzumachen.
Benedikt zeigte ihnen erst mal das Grundlegende. Nach einer halben Stunde fragte Paul: “Könnte Robert nicht auch mitmachen? Ihm ist auch langweilig.“ Benedikt gab ihnen eine Aufgabe und ging zu Sophia, um sie zu fragen, ob das ginge. – „Er ist zwar kein Jugendlicher mehr, aber erst 25.“ Sie sagte: „Wenn er möchte.“ Robert freute sich, als Benedikt an seiner Zimmertür klopfte und ihn einlud teilzunehmen. Er hatte zwar nur Lego Technik gehabt, aber er konnte wenigstens etwas mit den Legosteinen anfangen. So baute also erstmal jeder ein Haus. Als sie damit fertig waren, stellten sie die Häuser auf einen Tisch und stellten fest, dass das ja nun fast eine Stadt sei. „Eher ein Dorf,“ korrigierte Benedikt. „In der Stadt gibt es keine Einfamilienhäuser mehr.“ Dann fragte er, was denn noch in ein Dorf gehöre. Helena sagte: „Eine Kirche.“ Xenia schlug ein Kaufhaus vor. Doch Benedikt erklärte: „In einem Dorf gab es früher eher kleine Läden. Eine Bäckerei, eine Metzgerei und einen „Tante-Emma-Laden“.“ Nun lachten alle. „Was soll das denn sein? Verkaufen die da Tanten?“ fragte Xenia. –„Nein, Lebensmittel. Da wurden Mehl, Zucker und Haferflocken mit einer Waage abgewogen und in Papiertüten gefüllt Außerdem gab es ein Fass mit Gewürzgurken. Die konnte man ebenfalls lose kaufen. Genau wie Gummibärchen und Bonbons“ – „Das glaube ich nicht“, sagte Xenia. „Woher willst du denn das wissen?“ – „Von meinem Vater“, antwortete Benedikt. Nun meldete sich Robert zu Wort: „Eine Schule.“ – „Ja, und zwar eine ganz kleine.“ Stimmte Benedikt zu.  „Ganz früher, als unsere Großeltern Kinder waren, gab es viele kleine Schulen. Da wurden alle Kinder in einer Klasse unterrichtet.“ Erklärte Benedikt. „Das sind doch Märchen, was du uns da erzählst,“ behauptete Xenia. „Nein“, sagte Benedikt. „Und es gab auch keine großen Fabriken, sondern viele kleine Handwerksbetriebe, wie zum Beispiel den Schuster. Der machte Schuhe und wenn sie kaputt waren, reparierte er sie, anstatt dass man sie wegwarf.“
Mittlerweile hatten alle mit Bauen aufgehört. Sie lauschten interessiert Benedikts Ausführungen. Und er erzählte ihnen noch vom Müller und vom Schmied. „Natürlich gab es die ganze Technik noch nicht“, gab er zu bedenken. „Du meinst, die Leute hatten keine Handys und keinen Computer?“ fragte Jonathan. – „Erst nach und nach. Die genauen Jahreszahlen weiß ich nicht“, gab Benedikt zu. Dann forderte er sie dazu auf, weiter zu bauen.
Am Abend berichtete er seiner Mutter davon. Sophia griff das Thema sofort auf und setzte für den übernächsten Tag: Eine Reise durch die Zeit auf den Plan. Sie würde Klaus bitten, das zu übernehmen. Er konnte so gut erzählen und hatte jede Menge geschichtliches Wissen. 
      ‚
Inzwischen waren zwei Wochen vergangen und das Interesse am Lego bauen hielt noch ein paar Tage an und so landeten die Jugendlichen im „kreativ“.
Jonathan machte erstaunlich schnell Fortschritte beim Klavier spielen. Er hatte offensichtlich Talent.
Benedikt wurde es in der Gruppe der Jugendlichen allmählich zu viel. Er zog sich etwas zurück verbrachte aber weiterhin viel Zeit mit Jonathan und sie träumten gemeinsam von einer anderen Welt, in der es so sein müsste wie früher. Jonathan meinte: „Man müsste die Geschichte zurückgehen können“. -    „Ja, das wäre was“, meinte Benedikt dazu.
Am Abend redete Benedikt mit seinen Eltern über dieses Thema und sie sagten dazu: „Das wäre teilweise schon möglich. Dazu brächten wir quasi eine Revolution.“ – „Oder den großen Energie-Kollaps.“
Als nächstes nahm sich Benedikt vor, Jonathan Gesellschaftsspiele schmackhaft zu machen. Er fing mit Monopoly an. Auch das war ein Erfolg. Jonathan schien sich für alles zu interessieren.


In der letzten Woche gab es dann noch die Gesprächsrunde: „Wenn ich Politiker wäre, …“
Das sagten die Jugendlichen dazu:
- würde ich verbieten, dass die Natur weiter zerstört wird.
- würde ich den Armen helfen.
- würde ich die Schule über‘ s Internet machen.
- würde ich verbieten, so viel Müll zu produzieren.
- würde ich die Energieversorgung verbessern.
- würde ich Kindern ein Mitbestimmungsrecht geben.
- würde ich Bäume und Blumen pflanzen lassen.

Jonathan war traurig darüber, dass die vier Wochen schon vorbei waren. Da ihm klar geworden war, dass er anders dachte als seine Familie, würde er mit gemischten Gefühlen nach Hause fahren.
Benedikt war ebenfalls traurig, denn Jonathan war für ihn wie ein Bruder geworden und er befürchtete, dass sie sich nun nicht mehr so oft sehen würden.
Sophia dagegen war sehr zufrieden mit dem Ergebnis der letzten vier Wochen. Die Jugendlichen wirkten deutlich entspannter.
Sie wusste nun, was sie zu tun hatte. Sie musste nun ihr nächstes Konzept zu Papier bringen und realisieren. 
      *
Mia und Elias spürten natürlich sofort, dass ihr Sohn sich verändert hatte. Er war voller Idealismus. Vor allem wollte er weiter Klavierunterricht nehmen. Dieser Wunsch wurde ihm gewährt und er bekam sogar ein gebrauchtes Klavier. Er traf sich von nun an regelmäßig mit Benedikt und wenn die Familien zusammen kamen, zeigten sie offen ihre Freundschaft. Und so kam es auch, dass Jonathan seiner Familie nach und nach immer mehr von seinem Aufenthalt im Hotel „Auszeit“ erzählte. 
Eines Tages ging Mia Sophia an, dass sie ihrem Sohn den Kopf verdreht habe. Doch Sophia blieb gelassen und meinte nur: „In diesem Alter bilden sich die Kinder schon selbst ihre Meinung.“ Wenn Benedikt die Oma besuchte, kam Jonathan von nun an auch mit dazu und sie spielten zu dritt. 
      *